„Migrationshintergrund“

Ich sage gerne: „Ich habe einen Migrationshintergrund.“ Und niemand, der mich kennt oder sieht, würde das bestätigen. Dabei war einer meiner Großväter Niederländer und mein Vater wurde in den Niederlanden geboren – als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers.  

Aus dem Bauch heraus würden viele heute sagen: „Das zählt nicht.“ Wäre mein einer Großvater aus Nigeria, wäre das etwas ganz anderes. Dann hätte ich eine braunere Hautfarbe und würde als „Farbiger“ angesehen. Dann wäre der Migrationshintergund klar und jeder würde das bestätigen, dass ich einen hätte.

Mir ist mein Migrationshintergrund aber wichtig. Nicht, um etwas Besonderes zu sein oder mich interessant zu machen. Seit ich mir dessen bewusst bin und mich dafür interessiere, habe ich wertvolle Seiten an mir entdeckt, die zu meiner Person gehören. So konnte ich meine Persönlichkeit erweitern und abrunden.

Es hat auch viele Vorteile für mich. Ich kann die Migranten, die zu uns nach Deutschland kommen, verstehen. Ich fühle mich den Juden nahe, obwohl ich ein gläubiger Christ bin. Ich setze mich mit dem Apostel Paulus auseinander, der als Jude in der heutigen Türkei geboren wurde, konvertierte und es verstand, Kulturen zu verbinden. Ich finde Brücken zu den Muslimen, die bei uns heimisch werden, und schätze sie. Und all das ist für mich beglückend und sehr nützlich.

Weil ich das alles so erfahre, macht es mich richtig krank, dass das Wort „Migrationshintergrund“ heute als Belastungsfaktor und als Problem behandelt wird. Das Wort ist schon schrecklich gewählt. Man spricht ja auch von einem „extremistischen Hintergrund“. Das Wort „Hintergrund“ rückt den Menschen, der so bezeichnet wird, in ein negatives Licht – als könne da etwas zum Vorschein kommen, das man im Kontakt nicht sieht und gefährlich ist.

Dabei verhält es sich aus meiner Erfahrung heraus bei Menschen mit Migrations-Erfahrung gerade anders herum. Es ist gut, eine Migrationsgeschichte zu haben und eine Bereicherung für einen selbst und die Menschen um einen herum.

Ich möchte allerdings nicht verschweigen, dass es für den Menschen mit Migrationsgeschichte auch schwer sein kann. Nicht wegen der anderen ist es schwer, sondern wegen dem eigenen Suchen, wer man eigentlich ist. Auch das Schwanken und hin- und hergehen in der eigenen Persönlichkeit, stellt einen vor Aufgaben. Aber es sind Aufgaben, an denen man wachsen kann und stärker wird.

Noch eines möchte ich hinzufügen. Es gibt auch Migrationsgeschichten für Menschen, bei denen Eltern und Großeltern eindeutig deutsch sind. Wenn man zum Beispiel aus Ostfriesland nach München zieht oder wenn man aus einer Arbeiterfamilie kommt und ein Professor mit höchsten akademischen Ehren geworden ist, …. dann fühlt man sich in seiner neuen Umgebung ebenso fremd und produktiv herausgefordert wie einer, dessen Vater aus Nigeria kommt.

Also sein wir fair. Werfen wir das Wort „Migrationshintergrund“ auf die Müllhalde der Geschichte und lassen die Menschen sein, wie sie sind! … und lassen uns selber sein, wer wir sind.

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