Rivalität

Ein Deutscher kann Rivalität wenig abgewinnen. Er ist gewohnt, dass die Verhältnisse geordnet sind und einer gewissen Weisheit folgen. In der Wirtschaft hat Wettbewerb seinen Platz. Aber ansonsten sollte Einigkeit herrschen. Im Gefolge des deutschen Idealismus fragt der Deutsche: „Was ist richtig?“ und denkt, dass dann alle so handeln sollten.

Für einen Christen sieht das ähnlich aus. Jesus stand mit seinen Worten und Handlungen über den Auseinandersetzungen. Er brachte eine höhere Warte ins Spiel, aus der die aktuellen Rivalitäten transzendiert wurden. Überhaupt stellte Jesus ansonsten die Liebe in den Vordergrund und war bereit, an der Uneinsichtigkeit Anderer zu leiden – bis sie die Wahrheit annehmen oder von ihr überwunden werden.

Für einen Amerikaner ist Rivalität etwas Gutes. Fairer Wettbewerb wird gefördert. Schon in der Schule hat das faire Kräftemessen im Sport einen hohen Stellenwert. So fördert man die Kraft der Menschen und ihre Durchsetzungsfähigkeit. Auch der Teamgeist wird in den Wettkämpfen entwickelt. An den High Schools gibt es Debating Societies. Junge Menschen lernen, in freier Rede eine Sicht der Dinge darzustellen und andere davon zu überzeugen. In den USA übt man so eine gekonnte und faire Rivalität. Sie stellt eine Grundbedingung für eine funktionierende Demokratie und eine erfolgreiche Wirtschaft dar. Hegel hätte seine Freude daran haben können. Und der Utilitarismus braucht solche Auseinandersetzungen, um jeweils die besten Lösungen zu finden.

Auch, wenn Jesus mit Rivalität vielleicht wenig anfangen konnte. Darin sind ihm seine Jünger und die Kirche nicht gefolgt. In der Kirche gab es von Anfang an Rivalität. Ich denke da nur an Paulus und seine Auseinandersetzungen mit Petrus und seinen Gegnern. Wir Deutschen sehen diese Rivalität als einen notwendigen Streit um die Wahrheit. Es war aber auch ein Kampf um den zukünftigen Weg der Kirche und ihre Führungsstruktur.

Egal aus welcher Tradition man hervorgeht, man muss erkennen: Rivalität ist eine Realität. Schon die Griechen haben daraus in den Olympischen Spielen eine Kultur gemacht. Es gab Regeln bei den Wettkämpfen. Und es musste Frieden herrschen, während die Griechen ihre Kräfte maßen. In der anglo-amerikanischen Welt wurde diese Kultur weiter entwickelt bis zu den Prinzipien der heutigen Demokratie und der regelbasierten Marktwirtschaft.

Ich denke, auch wir Deutschen haben uns davon längst überzeugen lassen. Rivalität ist etwas Gutes, wenn es ein fairer regelbasierter Wettbewerb ist. Sie kann alle stärken und den Besseren zum Erfolg bringen.
Ich verfolge diese Gedanken, weil wir international um eine Rivalität zwischen den Mächten nicht herum kommen. Das zu leugnen, wäre unklug. Das zu kultivieren, ist lebens-notwendig.

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