Wahrheit ?

„Was ist Wahrheit?“ fragte Pilatus, als er den Schauprozess gegen Jesus führte (Joh 18,38). Und er meinte seine Frage durchaus zynisch. Dabei ist Pilatus ein Experte für die Wahrheit. Ein Berufspolitiker in Regierungsverantwortung weiß, wie schillernd Wahrheit sein kann und wie man effektiv mit ihr umgeht. Will man Menschen beeinflussen, kann man sie mit einer Darstellung der Wahrheit manipulieren.

Heute, in Kriegszeiten, ist die Frage virulent wie eh und je. Die Wahrheit, sagt man, ist das erste Opfer des Krieges. Jede Seite will das Volk mit seiner Darstellung beeinflussen und es so für den Krieg gewinnen.

Dennoch: Wenn wir die Wahrheit sagen, lebt es sich leichter und kann es eine gedeihliche Entwicklung geben. Was ist also Wahrheit? Es gibt konstruktive Antworten:

1. Die Wahrheit muss richtig sein. Ja, sie muss stimmen – nach bestem Wissen und Gewissen den überprüfbaren Tatsachen entsprechen. Der Faktencheck ist ganz wichtig. Sonst wird die Wahrheit zur Lüge.

2. Die Wahrheit muss vollständig sein. Die Wahrheit hat immer viele Aspekte. Man kann sie von verschiedenen Seiten betrachten. Man sagt: „Die Wahrheit hat viele Gesichter.“ Wer das verschweigt, verbreitet Halbwahrheiten. Und eine Halbwahrheit ist eine gefährliche Lüge.

3. Die Wahrheit muss selbstkritisch sein. In unserer Erkenntnis der Wahrheit sind wir immer begrenzt. Auch die Wissenschaft muss ihre Theorien manchmal korrigieren, wenn neue Betrachtungsweisen entstehen. Deshalb gehört der Zweifel immer zur Wahrheit. Man spricht vom „methodischen Zweifel“. Und jede Wahrheit hat dunkle Bereiche, die sich mit der Wahrheit nicht erklären lassen. Eine Wahrheit ohne Vorbehalt ist Propaganda.

4. Die Wahrheit sollte gut sein. Es gibt Wahrheiten, die man lieber verschweigt – besonders im zwischenmenschlichen Bereich. Kalt und herzlos ausgesprochen, fördern sie nicht das Miteinander. Sie können ein zartes Ich ersticken. Das ist schade. Eine gute Wahrheit fördert die Entwicklung von Menschen und Gesellschaften. Eine gute Wahrheit entspricht der Liebe.

Zum Schluss sei auf die drei Siebe des Sokrates hingewiesen. Wahr, gut und notwendig soll es sein, was einer sagt. Sonst soll er lieber schweigen.

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