Windschutzscheiben-Philosophie

Meine Windschutzscheibe ist vollgeklebt von Fruchtfliegen – sehr ärgerlich und schwer zu entfernen. Dabei müsste ich die Fliegenleichen auf meinem Auto eigentlich mögen. Sie sind ein Zeichen, dass es noch Insekten gibt. Das Leben regt sich eben doch und Mutter Natur ist immer bereit, sich ihr Territorium wieder zu erobern.

Die Fliegen habe ich mir in Holland zugezogen auf einem Damm zwischen Ijsselmeer und Markermeer. Die Niederländer haben dort ein Naturschutzgebiet künstlich im Flachwassergebiet angelegt. Und sie haben zudem zwei Inseln aufgeschüttet – als Ruhezonen für Vögel. Auch Zugvögel rasten hier oder überwintern und alle finden reichlich Nahrung – unter anderem diese Fruchtfliegen.

Die Niederlande setzen Steuergelder ein für Vögel, die in ihrem Land reine Migranten sind. Das finde ich wunderbar. In Deutschland gibt es einige Privatinitiativen. Eine Blühwiese wird angelegt. Unsere deutschen Bemühungen sind allerdings recht unbeholfen. Zuerst wird der Garten klinisch gesäubert und dann siedelt man blühende Pflanzen an und stellt ein ebenso steriles Insektenhotel auf. Immerhin: Es ist ein Gegengewicht gegen die Steingärten, die Pestizide in der Landwirtschaft und das Zubauen der Erdoberfläche.

Meine Windschutzscheibe lehrt mich, dass es das Leben noch gibt. Und sie lehrt mich, dass man Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss, wenn man die Natur unterstützen will. Es gibt eben keine Zugvögel ohne vollgeklebte Windschutzscheiben.

Auch die Corona-Pandemie kann man so betrachten. Sie ist sehr unangenehm und für manche Menschen tödlich. Aber auch sie ist Natur. Es ist ein Virus, der mutiert und von Tieren auf Menschen übergesprungen ist. So entwickelt sich Natur. Und mit solchen Unannehmlichkeiten entwickeln sich auch die Menschen. Sie sind schon mit vielen Krankheiten fertig geworden.

Wir müssen unseren Geist anstrengen. Wir müssen zusammen halten und zusammen arbeiten. Dann werden wir dieses Virus beherrschen lernen. Dann lernen wir vielleicht wieder mehr, dass wir nur gemeinsam in der Natur eine Chance haben.

Wer Natur will, muss mit der verklebten Windschutzscheibe leben und auch mit Corona. In dieser Natur zu leben, hat uns Menschen geprägt und auch viel Gutes in uns hervor gebracht. Also: Ich lerne die Fliegen auf meiner Windschutzscheibe schätzen.

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