Wozu Kirche?

Wozu ist die Kirche da? Was ist ihre Funktion in der Gesellschaft?

Um es klar zu sagen: Eine Avantgarde ist die Kirche nicht. Gesellschaftliche Entwicklungen vollzieht die Kirche nach, wenn sie breit anerkannt sind. So haben die Kirchen in Deutschland erst nach der Nazi-Diktatur eindeutig die Demokratie unterstützt. Auch gleichgeschlechtlliche Partnerschaften hat die Evangelische Kirche erst in ihr Wertesystem integriert, als diese nach langem gesellschaftlichen Diskurs auch staatlich geregelt waren. Dass die Kirche in die richtige Richtung voran geht, kann man eher nicht erwarten. – Schade.

Natürlich leistet die Kirche viel im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen. Dort ist sie mit ihren gemeinnützigen Werken aktiv. Man muss allerdings sagen, dass alle diese Tätigkeiten staatlich geregelt und finanziert sind. Der finanzielle Eigenbeitrag der Kirche ist gering. Sie hat allerdings die Chance und das Recht, der sozialen Arbeit ihr eigenes Gepräge zu geben. – Immerhin.

Was die Kirche aber leistet, ist Bewahrung, Zusammenhalt und die Vermittlung anerkannter Werte. Dabei orientiert sie sich am Lebenslauf der Menschen. Sie begleitet Geburt, Kindheit, Jugendalter, Eheschließung, Alter und Tod. An diesen Wendepunkten des Lebens begleitet die Kirche ihre Mitglieder und lässt sie an ihrer Weisheit Teil haben. Auch bei einschneidenden Ereignissen im öffentlichen Bereich bietet die Kirche einen gottesdienstlichen Rahmen und macht ein Sinn-Angebot. In der Kirchensprache heißt das: „Sie tröstet.“ Sie bestätigt auch und trägt die Menschen in ihrem Leben innerlich und bietet Rat, wie man gut leben kann.

Genau dieses Angebot der Bewahrung, wird heute immer weniger angenommen und nachgefragt. Darin liegt eine Tragik. Selbst die kirchliche Beerdigung ist auch für Kirchenmitglieder keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Gründe sind vielfältig. Die Mobilität, die Patchwork-Biografien passen nicht mehr zum Modell, die Normalfamilie lebenslang zu begleiten. Auch die Ausdifferenzierung der Milieus steht dem Bestreben, Zusammenhalt zu vermitteln, entgegen.

Ich persönlich denke, dass die Krise der Kirche noch tiefer begründet ist. Unsere Welt verändert sich rasant und mit ihr die einzelnen Lebens-Entwürfe und Lebens-Stile. Und diese Veränderungen sind keine Krise, sondern das neue Normal. Und die Veränderungen sind auch nicht negativ zu beurteilen, sondern oft positive Weiterentwicklungen.

Wenn die Kirche vor allem Bewahrung bietet, passt sie nicht in diese Welt! Sie bekommt die Quittung dafür, indem die Menschen mit den Füßen abstimmen. Dabei muss die Kirche nicht so sein, wie sie ist. Im Grunde ist der christliche Glaube durchaus dynamisch. Der Glaube handelt davon, wie Gott in diese Welt eingeht und sie verändert. Das feiern wir immer wieder zu Weihnachten. Und das macht bis heute den Reiz von Weihnachten aus. Es ist nicht nur das Fest der Liebe. Es ist vor allem das Fest der Geburt – Jesu. Weihnachten feiern wir, wie Gott in diese Welt eingeht und sie transzendiert. Ein dynamisches Moment in unserer dynamischen Welt.

Ich beginne hier von Glauben zu reden und höre auf, dabei die Kirche zu erwähnen. Vielleicht passen ja beide – Kirche und Glauben – nicht zusammen, obwohl es über Jahrtausende eine innere Verbindung zwischen beiden gibt.

Wozu ist die Kirche da? Wenn Sie mich fragen: „Die Kirche ist dazu da, den Glauben zu leben und zu predigen.“ Hat es das jemals gegeben? Wie wird eine Kirche aussehen, die das tut?

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