Heimat im Plural?

Klar, Heimat gibt es nur im Singular. „Es kann für einen Menschen nur eine Heimat geben!“ So denken mache Menschen, die immer am selben Ort gelebt haben.

Ich möchte dem widersprechen. Für mich gibt es mindestens drei Heimaten.    

Da ist zunächst das Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin und für`s Leben geprägt wurde. Das ist allerdings die Heimat, die für mich immer mehr verblasst und wo die Bindungen inzwischen vollkommen verschwunden sind.

Dann ist da die Region, wo ich schon seit über 30 Jahren lebe und arbeite und meine Freunde habe und die Menschen kenne. Die ist mir definitiv zur Heimat geworden und ich möchte dort gerne alt werden.

Es gibt allerdings noch eine Heimat, die ich nicht verschweigen möchte und die mich anzieht. Das sind die Niederlande. Von dort stammt einer meiner Großväter. Dort habe ich die Sprache gelernt, fahre immer wieder dorthin und besitze dort sogar Eigentum. Diese zweite Heimat ist für mich eine Art Sehnsuchtsort, da ich das Leben dort sehr liebe und genieße. Außerdem begegne ich dort Wurzeln meines Lebens, die mich wachsen und gedeihen lassen.

Ich habe also drei Heimaten. Es sollte das Wort „Heimat“ im Plural geben. Das entspricht einfach dem Leben, wie viele Menschen es heute führen.

Mir ist das besonders wichtig, weil heute Migranten, die zu uns kommen, mit dem singulären Heimatbegriff konfrontiert werden. Und mehr oder weniger erwarten viele Menschen hier in Deutschland, dass aus den Russland-Deutschen oder den Türkei-Deutschen Deutsch-Deutsche werden. Das ist aber brutal, seelisch ungesund und auch sehr dumm. Wie viel mehr werden Migranten aus dem Ausland diese verschiedenen Heimatgefühle haben, die auch ich als Binnenmigrant kenne? Die menschliche Seele ist einfach so und es ist dumm dagegen anzukämpfen.

Für Christen möchte ich das mit dem Philipperbrief erklären. Die antike Gesellschaft war wie die heutige mobil und globalisiert. Und auch die Christen in Philippi, die dort ihre Heimat gefunden hatten, kannten einen multiplen Begriff von Heimat. Da war natürlich diese Stadt in Griechenland, wo sie lebten. Aber das war ihnen nicht genug und sie wussten, dass ihre wirkliche Heimat eigentlich noch vor ihnen an einem anderen Ort liegt. „Wir haben unsere Heimat im Himmel.“ (Philipper 3,20), sagten sie. Dazu wäre aus biblischer Sicht manches beizutragen. Worauf es mir hier ankommt: Ein Christenmensch sollte das doch eigentlich kennen, dass mehrere Heimaten in der Brust eines Menschen ihren Platz haben. Ein Christenmensch sollte es auf diesem Hintergrund doch schaffen, die, die zu uns kommen, in dieser Hinsicht besser zu verstehen.

Also: Schreiben wir endlich den Plural von Heimat in den deutschen Duden!

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