Zurecht gegeneinander streiten …

Die Welt erleidet gerade zwei Kriege. In beiden sieht sich jede Seite im Recht. So verhält es sich im Konflikt zwischen Hamas und Israel und zwischen Russland und Ukraine.

Israel ist auf brutalste Art terroristisch angegriffen worden und pocht auf das Recht zur Selbstverteidigung. Die Hamas nimmt sich das Recht, für die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser legitime Vergeltung zu üben. Die Ukraine wehrt zurecht den Einmarsch eines überlegenen Gegners ab. Während Russland das jahrzehntelange Heranrücken der NATO an seine Westgrenze beklagt. Jetzt beharrt Russland darauf, in „seinem“ Einflussbereich zurecht die Verhältnisse zu bestimmen.

Es gibt in beiden Kriegen einen klaren Aggressor, der das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht eines Landes bedroht und mit brutalen Mitteln vorgeht. In beiden Fällen begeht der Aggressor Massaker mit Misshandlungen und Vergewaltigungen an der Zivilbevölkerung. Damit setzen sich sowohl die Hamas als auch Russland eindeutig ins Unrecht.

Beide Aggressoren haben aber auch eine erhebliche Machtkonstellation hinter sich und ihr Verhalten ist zumindest aus der vorherigen Bedrängung heraus verständlich. Die terroristischen Handlungen können als Explosion erlittener struktureller Gewalt angesehen werden. Man muss aber betonen: Die benutzten Mittel heiligen nicht den verständlichen Zweck!

Nun ist die Welt in der Beurteilung beider Konflikte durchaus gespalten. Besonders die Länder des globalen Südens stimmen für die Aggressoren trotz ihres unrechtmäßigen Verhaltens oder enthalten sich. Sie werten wohl die lange erlittene Unterdrückung der Aggressoren als Legitimation für die derartig vorgetragenen Angriffe. Die Länder des globalen Südens bringen für beide Konfliktparteien Verständnis auf.

Ich denke, dass sich die Länder des globalen Südens an ihre eigene Geschichte erinnern. Sie waren die Objekte des europäischen Kolonialismus und des amerikanischen (und sowjetischen) Imperialismus. Alles Schreckliche, das Ukrainern und Israelis heute widerfuhr, haben sie selber lange erlebt. Da ist es nur verständlich, dass sie mit dem globalen Norden wenig Mitleid haben, wenn der jetzt solche Erfahrungen machen muss.

Für den Konflikt in Israel tragen die Europäer und Russland eine klare Mitverantwortung. Hätte es in Europa nicht über Jahrhunderte Pogrome an Juden bis hin zum Holocaust gegeben, hätten die Juden nicht ein eigenes Land erobern wollen. Die Juden wollten einen sicheren Ort, wo sie nie wieder abgeschlachtet werden. Schließlich setzten die europäischen Kolonialmächte 1948 durch, dass sich der Staat Israel auf arabischem Territorium gründen konnte. Das war eine koloniale Handlungsweise mit Rückendeckung der UNO. Die Europäer entzogen sich so der Verantwortung für ein Lebensrecht der Juden in den eigenen Staaten. Bis heute gibt es in Europa Antisemitismus.

Wer das Recht hat, in Israel zu leben, ist durchaus unklar. Immer wieder sind neue Völker in Israel sesshaft geworden. Juden, Muslime und Christen haben abwechselnd Jahrhunderte lang dort geherrscht. Seit 70 nach Christus leben allerdings keine Juden mehr in Israel. Historisch haben sie somit wenig Recht auf das Land. Und erst im 20. Jahrhundert sind sie wegen der Judenverfolgungen in Europa dort wieder eingewandert. Die Bibel ist ehrlich. Schon 1200 vor Christus haben die Israeliten Palästina mit Gewalt von anderen Völkern erobert. So geschieht es auch heute wieder.

Die Verhältnisse sind also verfahren und nur schwer zu entwirren. Wo kann die Lösung liegen?

Zunächst sollten die ehemaligen Kolonialmächte und die imperialen Mächte ihre Mitschuld eingestehen. Bundespräsident Steinmeier ist hier ein Vorbild. Gerade hat er sich in Tansania für die Verbrechen der deutschen Kolonialisten dort entschuldigt. Aus Schuld erwächst Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns. Auch für die Ukraine tragen besonders Deutschland und Russland historische Verantwortung. Bei Länder haben die Ukraine als Kolonie beherrscht und die Menschen dort als Untermenschen behandelt.

Eine weitere Lösung wäre ein Friedensprozess wie der Westfälische Frieden im 17. Jahrhundert. Damals führten alle europäischen Mächte 30 Jahre lang auf deutschem Boden Krieg gegeneinander. Die Opfer und Verwüstungen waren unbeschreiblich. Alle Seiten waren am Ende des Krieges müde. Der Westfälische Frieden stellte dann den Status Quo fest. Und er schuf einen Ausgleich der Interessen. 3 Jahre wurde verhandelt. Die Konfliktparteien tagten an unterschiedlichen Orten. Neutrale Vermittler sorgten für die Kommunikation untereinander. Das Ergebnis war ein relativ stabiler Friede mit einer gerechteren Neuordnung der Verhältnisse.

So könnte es zwischen Israelis und Palästinensern gehen. Und auch zwischen Russland und dem Westen könnte es zu einer derartigen Lösung in der Ukraine kommen. Das ist nicht ideal. Aber die Menschen sterben nicht mehr und sie können ihre Länder wieder aufbauen.

Ein anderes Szenario ist auch denkbar: Die Länder des globalen Südens werden immer stärker und behandeln die ehemaligen Kolonialherren und Imperialisten so, wie sie es von ihnen erfahren haben. Das wollen wir uns lieber nicht vorstellen.

Es ist auf jeden Fall keine Lösung, dass der „Westen“ seine Werte und seine regelbasierte Ordnung durchsetzen will und sich an beide selber oft nicht hält.

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